Denkmal für einen Verachteten | Panorama

2021-11-29 08:27:53 By : Ms. helen he

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Die Plastiktüte hat uns 50 Jahre lang gute Dienste geleistet; heute ist es ein Symbol der Wegwerfgesellschaft. Eine Ausstellung in Baden-Württemberg zeigt die Taschen von ihrer schönsten Seite.

Einkaufstüten eines Supermarkt-Discounters gehören zu den Highlights der Ausstellung. „Aldi ist zweimal dabei“, erklärt Kurator Frank Lang. Er betrachtet die vom Künstler Günter Fruhtrunk entworfenen Taschen aus den 1970er Jahren und gerät ins Schwärmen: „Es ist verrückt, dass alles zusammenpasst. Wir haben ein super beliebtes Produkt und gleichzeitig ist es hohe Kunst. „Das Museum für Alltagskultur in Waldenbuch bei Stuttgart widmet der Plastiktüte eine Ausstellung. Die Basis bilden schätzungsweise 50.000 Taschen von zwei privaten Sammlern, beginnend in den 1960er Jahren. „Es ist praktisch eine Ära. Seit rund 50 Jahren begleitet die Plastiktüte unser Leben und macht es uns auch leichter“, erklärt Lang. „Wir sind alle sorglos mit dem Zeug umgegangen: da eine Plastiktüte, hier eine Plastiktüte. Irgendwie war das auch toll, das war das Leben des Wirtschaftsbooms. "

Jetzt das Schwanengesang. Die Produkte aus Polyethylen oder Polypropylen sind zu Symbolen der Konsum- und Wegwerfgesellschaft und angesichts der Müllteppiche in den Meeren zur Umweltsünde geworden. „Adieu Plastiktüte!“ So lautet der Titel der Ausstellung, die an diesem Samstag eröffnet wird.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) arbeitet derzeit an einem Verbot von leichten Einweg-Kunststofftragetaschen. Seit 2016 werden aufgrund einer freiwilligen Vereinbarung mit Händlern Plastiktüten nicht mehr kostenlos an der Kasse angeboten. Jeder Deutsche hat nach Angaben des Ministeriums bisher durchschnittlich 68 Plastiktüten verwendet, 2018 sank die Zahl auf 24.

Der Blick der Ausstellungsmacher auf die Plastiktüte ist teilweise sehr emotional und nostalgisch. Der Kurator selbst freut sich über eine Tüte aus dem Musikladen, in dem er als Jugendlicher seine erste Gitarre gekauft hat. „Als ich die Kollektionen vorsortiert habe, habe ich 100 Kategorien erstellt. Sie können nach Branche, nach Motiv, nach Farbe sortieren“, sagt er. Die Exponate und Kategorien sollen sich nach der Eröffnung regelmäßig ändern.

Neben den Objekten gibt es auch Informationen zu Herstellung, Gestaltung und Verwendung. Im sogenannten Plastik-Wiki zum Beispiel gibt es gruselige Zahlen der Deutschen Umwelthilfe: Demnach verbrauchen Menschen weltweit jährlich rund eine Billion Plastiktüten. Nur ein Bruchteil in Europa wird recycelt, rund 90 Prozent landen auf Deponien, von wo aus auch der Wind in die Meere gelangt.

Der Siegeszug der Plastiktüte begann 1964 mit einer Maschine zur Herstellung von Polyethylen-Tragetaschen. Die bedruckte Tasche ist zum Werbeträger für Shops und Marken geworden, manchmal auch zum Unterscheidungsmerkmal für Verbraucher. „Es war schon von weitem klar: Ich kann es mir leisten“, erklärt Lang. Sie galt als praktisch, weil sie reiß- und wasserdichter als Papiertüten, hygienisch und sogar umweltfreundlich war. Sogar die Umweltorganisation WWF warb persönlich auf einer Tüte: "Helfen Sie uns - Natur in Gefahr".

Abwasser aus Industrie und Großstadt ist laut gezeichnetem Motiv eine Umweltgefährdung, die Plastiktüte offensichtlich nicht, wie die Kuratorin erklärt: „Das ist aus heutiger Sicht völlig schräg.“ Doch die Tüte stammt aus dem Ende der 1970er Jahre, „da war dieses CO2-Thema noch nicht auf dem Tisch“. Beim Verbrennen von Polyethylen entsteht CO2. Einige der Taschen der Ausstellung sollen als Relikte der Kulturgeschichte erhalten werden. Die Besucher können über die Objekte abstimmen, die dann in einem Depot gelagert werden.